Herbert Brandl unternimmt in seiner Malerei eine aufregende Gratwanderung zwischen Abstraktion und Figuration – eine Gratwanderung, die in den letzten Jahren mit den Bergbildern, den Auen- und jetzt neu entstandenen Waldbildern zusehends exponierter wurde. Im gleichen Maß, wie die gegenständlichen Arbeiten auch den abstrakten Blick verlangen, schließen seine abstrakten Malereien eine gegenständliche Rezeption mit ein.
Das Ziel von Brandls Expeditionen – häufig auf Riesenformaten – entscheidet der Malprozess selbst. Ob eine abstrakte Farblandschaft oder ein Berg, eine Aue oder eine Blume entsteht, unterliegt keiner vorgefassten Absicht, die Farbräume entspringen unbenannten Empfindungen und expandieren in ihren physikalischen Gegebenheiten. Sie wechseln, oft in schroffen Brüchen, zwischen Opazität und zart durchscheinender Schichtung, das Terpentin hinterlässt Rinnspuren.
Gleichwohl ersetzt die Materialität der Farbe keineswegs den Inhalt. „Bei Herbert Brandl gibt es keine Malerei ohne Bezug auf einen außermalerischen Referenten, eine Landschafts- oder Figurenvorstellung, und damit verbundene Stimmungen und Gefühle. (…) Die Beobachtung, diese Malerei vollziehe sich als Angriff auf das Bild, lässt auch eine umgekehrte Formulierung zu: nicht auf bildliche Darstellung verpflichtet, kehren Momente der Malerei ihre widersprüchliche Eigenheit hervor…“ (Ulrich Loock, 1986)
Die traditionellen, durch und durch beladenen Sujets – eben das „Naheliegende“, so Herbert Brandl – findet er in Zeitschriften und Bildbänden, er versucht, ins Klischee einzudringen, es umzuwandeln. Die Sujets werden im Spiel zwischen Farbe und Figur Teil „seiner Grammatik der Malerei“ (Martin Prinzhorn, 2004) und haben sich am Ende nur zufällig ins Bild verirrt. Die Übergänge zwischen abstraktem und figurativem Ergebnis bleiben offen, Herbert Brandl geht es nicht darum, Entscheidungen in die eine oder andere Richtung zu treffen. Seine Malerei ist genau an diesen Übergängen angesiedelt.
„Wenn die Bilder über weite Flächen hin ohne Entscheidung auszukommen scheinen, wenn sie sich aus einer nur der Absichtslosigkeit eigenen Beobachtungsschärfe entwickeln, dann heißt das nicht, dass sie ohne Thema oder besser: ohne Bindung sind. Nicht weil die Malerei von Herbert Brandl dieses Ziel erreichen will, sondern weil es sich in ihrem Vollzug als eine Art Geschenk, Notwendigkeit oder Luxus einstellt, nähert sie sich immer wieder jenem Pol, für den das Wort Natur steht. Damit sind nicht so sehr die konkreten Reminiszenzen an das traditionelle Landschaftsbild gemeint, obwohl es auch die gibt. Die Berührung zwischen Malerei und Natur findet vielmehr in solchen allgemeinen Momenten wie dem Licht, der Bewegung, der fortdauernden Energie und damit auch der Zeit statt.“ (Julian Heynen, 1994)