My works embrace the delicate process of mark-making that often begins with the minuscule and gradually grows to form and reform works that are both abstract and formal at the same time.”
Alice Attie promovierte in Vergleichender Literaturwissenschaft und erhielt ihren Master of Fine Arts im Fach Lyrik. Sie unterrichtete Literatur in New York, bevor sie sich der bildenden Kunst – der Fotografie und vor allem der Zeichnung – zuwandte. Sie erhielt das Stipendium für 2016-2017 der Pollock Krasner Foundation.
In ihren Tuschezeichnungen befasst sich Alice Attie mit dem Minimalen und erforscht das Terrain von Schreiben und Zeichnen sowie den Bereich, wo beide sich überschneiden. Ihre Zeichnungen sind Meditationen in Tusche, bei denen sich klitzekleinen Zeichen über längere Zeit anzusammeln können. Durch Repetition, Rhythmus und graduelle Veränderungen entstehen und wachsen auf dem Papier winzige Wörter, Figuren, Zahlen und Bilder. Mit Verve überschreitet Attie die Schwelle, wo Sprache etwas Visuelles wird, ob sie nun eine Landschaft aus Zahlen oder eine nichtexistierende Sprache darstellt.
Die Künstlerin hat über Jahre an Seminaren in Physik und Philosophie an der Columbia University teilgenommen. “Class Notes” ist eine Serie von Zeichnungen, jede von ihnen ist im Zeitrahmen eines Seminars entstanden. Was Attie in der Klasse mitschreibt, wird eine erneute Inschrift der Vorlesungen als Zeichnung. Sie werden zum visuellen Analogon der intellektuellen Abenteuer, die für Attie große Anziehungskraft haben. Die prekäre Unterscheidung von Zeichnung und Schreiben ist das Thema, und da die Linien beider ineinander übergehen und zusammenwirken, scheinen sie für etwas gänzlich anderes zu stehen.
Atties Interesse an den Theorien und Konzepten fortgeschrittener Physik zum Beispiel ist nicht zu trennen von ihrem Wissensdrang gegenüber den mathematischen Zahlen als solchen, ihre seltsam unausweichliche Schönheit suggeriert einen Sinngehalt, erklärt ihn jedoch nie. Während jede Sprache auf einem bestimmten Level unzugänglich sein mag, kann sie bezaubernd und inspirierend sein, wenn sie von einer anderen erfasst und neu figuriert wird.
Philosophie-Vorlesungen über Hegel, Kant, Nietzsche, Heidegger, Foucault und die Philosophie des Islam inspirieren ebenfalls das Werk, das eben jene Dilemmata, mit denen sich die Philosophie befasst, bezeichnet und zum Ausdruck bringt. In der aktuellen Werkserie, angeregt von den späten Schriften des Philosophen Michel Foucault, greift Attie Foucaults Forderung “Sorge um sich”/”Take care of yourself” (die Lehre griechischer Philosophen) auf, um auf dem Zeichnungsblatt eine Landschaft aus endlosen Inschriften und Abstraktionen zu formen. Es ist ein Spiel zwischen Greifbarem und Ungreifbarem, dem Physischen und dem Metaphysischen, dem Minimalen und dem Großen. Das Verwickeln und Entwirren von Strängen, die zwischen dem, was lesbar und dem, was unlesbar ist, verlaufen, ist für Attie der fesselnde Aspekt. Da sie diese Spannung zum Einsatz bringt, werden die Zeichnungen zu erstaunlichen Erkundungen von Ambiguität und interpretativen Möglichkeiten.
Alice Atties Fotografien und Papierarbeiten befinden sich im Whitney Museum of American Art, New York, dem Museum of Modern Art, New York, dem Studio Museum in Harlem, dem Jewish Museum, New York, dem Getty Museum in Los Angeles und dem Museum of Fine Arts in Houston, Texas, und anderen.
Atties erster Gedichtband “These Figures Lining the Hills” erschien 2015. Ihr zweiter Gedichtband “Under the Aleppo Sun” erscheint 2018 bei Seagull Books/University of Chicago Press.