„Metamorph (Yellow)“, 2017, setzt sich aus 120 Halbsekund-Bildern zusammen, die ich aus meiner Serie von Tanzfotografien, „Choreograph“, ausgewählt habe. Die Bilder beruhen auf den vielen Variationen und Verschnitten, die ich von 2014 bis 2017 beim Arbeitsprozess an „Choreograph“ machte. Jede der Fotografien wurde hergestellt, indem ich ein Schwarzweißfoto in einen der Rot-, Grün- oder Blau-Kanäle eines Photoshop-Dokuments eingespeist habe, das ich dann farblich veränderte. Ich lud meinen Bruder William Welling ein, einen Soundtrack für dieses Video zu kreieren.”
– James Welling
“Metamorph” ist eine sehr kompakte Melodie. Ich wurde dazu von den schwarzweiß gebänderten, metamorphen Felsen an der Route 8 nördlich von Waterbury, Connecticut, inspiriert. Metamorphe Felsen wie diese sind extrem kompakt, dadurch dass sie tief in der Erde durch Erhöhung des Umge-bungsdrucks bzw. der Umgebungstemperatur verdreht und geformt wurden. Wenn sie am Straßengraben stehen, sind sie großartig – eine tiefgründige Schönheit der Erde. Bei dieser Aufnahme wird “Metamorph” in einem Tempo von 120 Taktschlägen pro Minute gespielt. Der typische menschliche Pulsschlag ist in Ruhe 60 pro Minute. Jeder zweite Taktschlag von “Metamorph” ereignet sich bei 60 Schlägen pro Minute. Obwohl das Tempo flott ist, ist es entspannend zuzuhören, da das Tempo ein mehrfaches des Herzschlags ist.”
James Welling ist international einer der experimentierfreudigsten Fotografen, der unterschiedlichste Werkserien geschaffen hat. Fasziniert von den ästhetischen, konzeptuellen und materiellen Voraussetzungen seines Mediums arbeitete er mit analoger Schwarz-Weiß-Fotografie, Fotogramm, Farbfotografie mit handgemachten Filtern, in jüngerer Zeit mit Digitalfotografie und lotet dabei das Farbpotential von Photoshop und Tintenstrahldruck aus.
Welling studierte ursprünglich Malerei und, angeregt durch Merce Cunninghams Dance Company, ein Jahr lang Modern Dance in Pittsburg. Er machte den Abschluss am California Institute of the Arts in Los Angeles und fertigte zunächst Skulpturen, Videos und Gemälde, bevor er sich ausschließlich der Fotografie zuwandte. In der Werkserie Choreograph, auf der das im LOGIN gezeigte Video basiert, überlagern sich zum einen diese performativen und malerischen Ursprünge sowie die Frage nach Skulptur und Körper im Raum, zum anderen Wellings fotografische Erfahrungen im Skulpturengarten des Museums of Modern Art, New York, und seine Architekturfotografien der Häuser von Marcel Breuer, Mies van der Rohe, Philip Johnson und anderen.
„Als Rohmaterial für die Serie dienten von ihm oder seinen Assistenten angefertigte Schwarz-Weiß-Fotografien von Tanzperformances, Landschaften und Architektur, die er in die verschiedenen Farbkanäle Rot/Grün/Blau-Modus von Photoshop transformierte und miteinander zu unvermuteten Amalgamen zusammenstellte. Die fotografische Option zur Einebnung von Zeit trieb Welling (…) mit Mitteln des Stiles und des Sujets, nun durch die technische Integration von ihm und seinen Assistenten mit Kamera bis Mobiltelefon aufgenommener Bilder auf ein neues Niveau. Auch produzierte er bei über zwölf Tanzkompanien in Los Angeles, Ottawa und New York zusätzliches Material. Diese Collage unterschiedlicher Interessens- und Einflussgebiete stellte für Welling eine neuerliche Befreiung dar, indem er bereits berührte Felder wie Architektur oder das Landschaftsbild auf der fotografischen Terra incognita des Tanzes reaktivierte. (…) Beständig seine eigene Geschichte ein-, aus- und überblendend manifestiert sich Wellings Werk als strukturell offenes und dynamisches Archiv über Fotografie, dessen Grundparameter sich, ähnlich der Funktion menschlicher Erinnerung, aus der jeweils berührten Gegenwart immer neu formulieren. Welling führt uns in das ewig zwischen Malerei und Fotografie klaffende Vakuum und lädt uns ein, den Raum zwischen Ich und Bild wie zwischen dem Eigenen und dem Andren zu erforschen.“ (Heike Eipeldauer)
Die Ausstellung im LOGIN, seine fünfte Einzelpräsentation in der Galerie, begleitet James Wellings umfangreiche Werkschau im Kunstforum Wien, 5. Mai – 16. Juli 2017. Die Zitate sind dem Ausstellungskatalog auf S. 121 und 127 entnommen.