BARBARA STEINER UND KARIN SANDER
Im Mai 2014 eröffnet die Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder die fünfte Einzelausstellung mit Karin Sander. Für ihre erste Ausstellung 1996 hatte die Künstlerin jeden Quadratzentimeter der Galerie durch Frottagen mit Graphitblöcken auf Papierbögen übertragen und zu Büchern im DIN A4 Format binden lassen. Mit allen Informationen – wie Farbtropfen, Bohrlöchern – wurden die drei Galerieräume in ein anderes Volumen, in das Medium Buch, übersetzt. Zusätzlich wurden im letzten Raum eine Gruppe polierter Hühnereier präsentiert. Im Jahr 2000 zeigte Sander 3D Bodyscans von lebenden Personen im Maßstab 1:10. 2006 folgte eine von ihr konzipierte Audiotour von KünstlerInnen der Galerie, und 2009 waren die architektonischen Daten des Ausstellungsraumes in einen Quellcode übertragen an den Wänden zu sehen.
Die folgenden Passagen sind ein Auszug aus einer Korrespondenz, die Karin Sander und Barbara Steiner im April 2014 begonnen haben.
Wie gehst du vor, wenn du zu einer Ausstellung eingeladen wirst? Manche deiner Arbeiten entwickeln sich „ad hoc“ und kontextuell, andere entstehen ohne Bezugnahme auf einen konkreten Ort.
Meist habe ich eine unbestimmte Vorstellung, ein vages Bild vor Augen. Dann beginne ich diesem Bild nachzugehen, weiß aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wie es aussehen wird. Der Ort kann zunächst einen Anlass liefern und der Auslöser für eine Arbeit sein, die dann in der Vorstellung oder auch konkret auf andere Orte übertragbar ist. Manchmal denke ich sogar schon an eine ganz bestimmte Arbeit.
Die jetzige Ausstellung ist deine fünfte Einzelausstellung in der Galerie nächst St Stephan Rosemarie Schwarzwälder. Wie siehst du diese Ausstellung im Kontext deiner bisher dort realisierten Arbeiten?
In der kommenden Ausstellung möchte ich eine Fotoserie zeigen, die mit meinem Mobiltelefon generiert wird, nämlich immer dann, wenn ich angerufen werde. Das Telefon ist so programmiert, dass die Kamera bei Anrufen automatisch ausgelöst wird.
Zum einen folgst du von dir aufgestellten „Spielregeln“, die die Arbeiten generieren, zum anderen entzieht sich das Ergebnis bis zu einem gewissen Grad deinem Einfluss: Die Wand hat eine bestimmte Beschaffenheit, die Personen werden gescannt, der Quellcode ist auf Regeln der Programmiersprache gebaut, dein Telefon löst, entsprechend eingerichtet, bei jedem Anruf ein Foto aus. Ich frage mich, wie viel „Komposition“ bzw. Einflussnahme deinerseits bei all den technischen Voreinstellungen möglich ist.
Es entstehen Aufnahmen von Ausschnitten, die sehr wenig und wiederum sehr viel von einem kurzen Moment und einem durch Koordinaten definierten Ort wiedergeben. Bei einem Anruf wird ein kleiner Ausschnitt des Sitzes vor oder neben mir, des Fußbodens oder des Schreibtisches fotografiert. Die Aufnahmen entstehen wie die Anrufe, aus heiterem Himmel, per Zufallsprinzip. Während der Ausstellung werden weitere Aufnahmen hinzukommen.
Die Fotos wirken nicht zufällig, sondern überaus sorgfältig komponiert.
Wenn das Telefon klingelt, bin ich damit beschäftigt, herauszufinden, wer mich gerade anruft. So vergesse ich immer wieder, dass in diesem Moment ein Foto ausgelöst wird. Die Fotos sind somit zufällig generiert, aber innerhalb klar definierter Rahmenbedingungen. Das Mobiltelefon speichert alle diese Fotos mitsamt den Ortungsdaten. Anschließend werden die Fotos unbearbeitet im Format 46 x 34,5 cm gedruckt, was sich aus der Bildauflösung der Kamera meines Telefons ergibt. Man wird also in der Ausstellung Fotografien sehe.
BARBARA STEINER ist Kuratorin, Herausgeberin und Autorin. Inhaltliche Schwerpunkte sind: Institutionskritik, Architektur und Display im Ausstellungs- und Museumsbereich. Veröffentlichungen u.a.: Superkilen – A Project by BIG, Topotek 1 and Superflex (2013), Das eroberte Museum/The Captured Museum (2011), Negotiating Spaces (2010)