Das MuseumsQuartier, ursprünglich als kaiserliche Hofstallungen erbaut, zählt zu den Hauptwerken des Barockarchitekten Johann Bernhard Fischer von Erlach. Aus Anlass des Gedenkjahres „300 Jahre Johann Fischer von Erlach“ initiiert das MuseumsQuartier ein besonderes Kunstprojekt.
Die Künstler:innen Tillman Kaiser und Sonia Leimer haben sich auf Einladung des MuseumsQuartiers mit den spezifischen architektonischen, historischen und aktuellen Bedingungen der Fassadennischen – 40 halbrunde Nischen strukturieren die 355 Meter lange Fassade – auseinandergesetzt. Beide haben Skulpturenprojekte für je drei Nischen entwickelt, die sich formal und inhaltlich auf die barocke Architektur beziehen. Aus ihrer jeweils eigenen künstlerischen Praxis heraus sind sie zu ganz unterschiedlichen skulpturalen Lösungen für die Nischen gekommen.
Tillman Kaisers künstlerisches Werk ist geprägt von der Wechselwirkung zwischen Techniken und Formen, die aus der Malerei, Fotografie, Skulptur und Architektur kommen. Er selbst bezeichnet seine Arbeiten als Collagen, die einen breiten Assoziationsraum – von Natur bis zu Science-Fiction – öffnen. Die geometrischen Formen scheinen sich aus der Nische heraus zu entwickeln und nutzen die architektonische Gegebenheit als konstituierenden Kontext. Die Bänderung der Fassade durch waagrechte Fugen, die sich auch durch die Nischen zieht, hat Kaiser als Anknüpfungspunkt für seine Arbeiten herangezogen. Dort haften seine Skulpturen an den Nischen an, verbinden sich mit der strukturierten Bausubstanz. Die Symmetrie der Fassade findet ihre Entsprechung in jener der Skulpturen. Die sich wiederholenden Formen bilden den Rhythmus dieser Arbeit. „Meine streng geometrischen Formen sind nicht Produkt komplizierter Berechnungen. Vielmehr ergeben sie sich organisch im Laufe des Arbeitsprozesses ähnlich dem Wachstum einer Pflanze, die streng nach ihrem genetischen Bauplan wächst und sich dennoch ganz an ihre Umgebung anpasst“, erläutert der Künstler die Formfindung.
Einer scheinbar inneren Logik folgend, haben sich seine Skulpturen als stilisierte Formen aus der organischen Welt in den Nischen eingenistet. Sie haben sich an die Architektur angedockt und entwachsen als abstrakte Blüten aus geformtem weißem Edelstahl geheimnisvoll anmutend der barocken Fassade.
Sonia Leimer schafft Skulpturen, Videos und Installationen, die sich zwischen realen Orten und imaginären Kontexten bewegen. Ein Schlüsselthema in ihren Arbeiten ist der Raum, sowohl der „urbane Raum“ als auch der „Weltraum“. Sie transformiert Räume und Objekte, die in konkreten historischen Zusammenhängen entstanden sind, um Geschichte und gesellschaftlichen Wandel erfahrbar zu machen. Die skulpturalen Arbeiten mit dem Titel „Platzhalter“ sind aus Aluminium gefertigt und fügen sich in eine gleichnamige Werkserie ein, die seit 2010 entsteht. Diese Skulpturen dienen als zeichenhafte Markierung von Leerstellen, reservieren vorübergehend einen (physischen) Raum und halten ihn frei. Die „Platzhalter“ sind eigenständige, selbstreferenzielle Variablen, die Codes des Raums und des Materials artikulieren. In ihrer Arbeit im MuseumsQuartier entschied sich Sonia Leimer für Aluminium: Durch seine spiegelnde Materialität verschmelzen Skulptur und Architektur, und auch die Umgebung wird reflektiert.
„Die Verwendung des leeren Raums als Material für eine Skulptur eröffnet eine neue Sichtweise auf den Raum selbst. Indem sie das Volumen der Raumlücke nutzt, um ihre Form zu definieren, wird der Raum selbst zu einem Teil des Kunstwerks und eröffnet neue Perspektiven auf die Beziehung zwischen Raum und Form. Die Skulptur wird nicht nur zu einem positiven Objekt, das den Raum füllt, sondern zeigt auch das Vorhandensein des Raums an sich“, so Sonia Leimer.