Karin Sander
Gebrauchs-Bilder
Sie kennen die Geschichte jenes jungen New Yorker Künstlers, der – im Brotberuf Gebrauchsdesigner – eines schönen Tages bei Leo Castelli die von ihm selbst entworfenen Brillo-Boxen ausgestellt fand, zum Kunstwerk erhoben durch Andy Warhol, dessen Namen heute fast jedes Kind kennt, während unser unglücklicher Künstler/Designer zur dauerhaften Unberühmtheit verurteilt bleibt. Ähnlich wie ihm würde es wohl all den Hobbykünstlern gehen, die ihr Herzblut darangeben, naive Porträts oder naturalistische Flußlandschaften auf jene Leinwände zu malen, die sie preiswert und praktisch in allen handtransporttauglichen Formaten direkt aus der industriellen Fertigung beziehen: in dem Augenblick nämlich, in dem sie eine von genau denselben Leinwänden sehen würden, in die sich unter der Regie von Karin Sander irgendeine räumliche und zeitliche Präsenz ihres Gebrauchs eingeschrieben hat. Die Gebrauchsbilder haben fünf Tage in einem Kohlenkeller gelagert, sind drei Tage mit auf die Ostsee genommen worden oder haben die Künstlerin über viele Jahre auf ihren Reisen begleitet (diese Arbeit ist zur Zeit in der Staatsgalerie Stuttgart zu sehen); ihre Leinwände haben die Patina ihrer jeweiligen Umgebung aufgenommen, wie sich selbst schreibende Tagebücher von Situationen. Karin Sanders einziger künstlerischer Eingriff besteht darin, die weiße Leinwand in die Küche oder in den Keller oder unters Schiffsdeck zu hängen und nach irgendeinem Parameter zu entscheiden, daß das Bild fertig ist: nach einer festgesetzten Dauer, wenn die Reise beendet ist oder das Schiff anlegt. Das Bild selbst verfertigt sich völlig autonom und autopoetisch – und zeigt sich zusammen mit seinem Titel Drei Tage auf See als jene Projektionsfläche, die jedes Bild immer schon ist, unausweichlich. Die Semantik des paradoxen Begriffs Gebrauchsbild spielt auf die den Leinwänden ursprünglich zugedachte Bestimmung ebenso an wie auf die eigentlich vorgesehenen Benutzer dieser Oberflächen, die im Angesicht eines der Gebrauchsbilder von Karin Sander die Chance zu verstehen hätten, daß Kunst das Gegenteil von Ausmalen ist.