Friederike MayröckerSchutzgeister curated by Hans Ulrich Obrist
Exhibition
SCREENING“Das Schreiben und das Schweigen. Die Schriftstellerin Friederike Mayröcker”, 2009, Documentary by Carmen Tartarotti, Pio Corradi / Camera, 90min, 35mm Stadtkino im Künstlerhaus
15 Sept 2020
READINGFriederike Mayröcker will give a reading as part of the exhibition
Grünangergasse 1
1010 Vienna
5 Sept – 17 Oct 2020
Es gibt nirgendwo Gewissheit, es gibt nur Hoffnung.”
Als ich Maria Lassnig 1985 kennenlernte, erzählte sie mir von ihrer Leidenschaft für das literarische Werk von Friederike Mayröcker und zeigte mir Rosengarten, Lassnigs und Mayröckers gemeinsames Künstlerbuch. In der Publikation fanden Mayröckers Gedichte Illustrationen von Lassnig – eine Kombination, die einen bleibenden Eindruck auf mich haben würde. Lassnig las mir aus dem Rosengarten vor. Während dieses Treffens, im Alter von 17 Jahren, fand ich mich in einem wunderbaren Gespräch über Literatur und Kunst und deren Zusammenspiel wieder. Lassnig erklärte mir, dass ihre Gemälde ein Körperbewusstsein beschreiben und Mayröckers Werk körperliche Besinnung behandelt. Es war dank Lassnig, dass ich zu Mayröckers Werk fand und begann, ihre unzähligen Bücher zu lesen. Mayröcker ist für mich, neben Etel Adnan, Édouard Glissant und Robert Walser, eine der Schriftstellerinnen, von denen ich beinahe alle Werke gelesen habe. Es war mir daher immer ein Anliegen, Mayröcker persönlich kennenzulernen und es war erneut dank Lassnig, dass diese Begegnung stattfand. Über die jahrzehntelange Beziehung, die ich zu Lassnig pflegte, wurde es zu einer Art Ritual sie zu besuchen wann immer ich in Wien war. Als sich Lassnigs Leben nach fast 95 Jahren dem Ende neigte, wendete sie sich während eines solchen Besuchs in einem besorgten Ton an mich und fragte: „Was wirst du in Wien tun, wenn ich nicht mehr hier bin?“. Bei unserem letzten Treffen legte sie mir also ans Herz: dass ich ihre gute Freundin Friederike Mayröcker, die große österreichische Schriftstellerin, treffe.
Nach dem Tod von Lassnig schrieb ich Mayröcker folglich einen Brief und erzählte ihr von Lassnigs berührender Idee. So trafen wir uns im Café Sperl in Wien. Mayröckers Überzeugung ist, dass Schreiben das Leben reflektiert und sie beschreibt die Melancholie als ihren Antrieb. Mayröcker hat sich dem Schreiben durchgehend vollständig gewidmet und die Intensität ihrer Hingabe zum Schreiben resultiert heute in mehr als 100 Büchern.
Es war während unseres ersten Treffens im Café Sperl, als ich Mayröckers Zeichnungen als ein Teil ihres Werks entdeckte. Mayröckers Zeichnungen, welche sie über Jahrzehnte in Serien realisierte zeigen unter anderem „Schutzgeister“ – deren Namen diese Ausstellung ihnen entleiht. Die schützende Kraft derer wir in diesen schwierigen Zeiten speziell gut gebrauchen können. Über die Jahre hat Mayröcker viele Schutzgeister gezeichnet, wie beispielsweise Schutzgeister zum „Schutz gegen die Unsicherheiten des Daseins“, welche sie ihrem Partner Ernst Jandl widmet.[1] Für Jandl zeichnete Mayröcker auch Schutzgeister gegen die Angst davor, alleine zu sein; gegen die Angst vor der Dunkelheit, aber ebenso Schutzgeister gegen böse Menschen, morgendliche Müdigkeit oder Mangel an Zigaretten. Weitere Zeichnungsserien, die sich in der Ausstellung finden, sind der ABC-Thriller sowie der Kinder Ka-Laender, wobei letzterer in zwei Versionen zu sehen sein wird, der fertigen ausgearbeiteten Serie und einem Erstentwurf. Es war mir ein Anliegen, die vielseitigen Dimensionen von Mayröckers Schaffen zusammenzubringen und sowohl ihre Poesie, als auch ihre Prosa und Hörbücher in einen Kontext mit ihren Zeichnungen zu bringen.
[1] Friederike Mayröcker im Gespräch mit dem Autor, KC-1702
The exhibition takes place on the occasion of curated by 2020.
Photo
Markus Wörgötter
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