Wie kann man ein ökonomisches System und die damit zusammenhängenden Folgen für den Planeten und für das globale Klima in eine künstlerische Form bringen? Wie kann etwas dargestellt werden, das laut der Kulturwissenschaftlerin Eva Horn kein Ereignis ist, sondern aus erhöhten Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Szenarien besteht? [1]
Christoph Weber nutzt für die künstlerische Darstellung dessen, was sich einer Bildlichkeit entzieht, Materialien aus drei Sphären, die sich in unserer Lebenswelt überlagern: Beton als jener globale Baustoff, der die von Menschen gemachte Technosphäre formt, fossiles Gestein als Material der Erdkruste, der sogenannten Lithosphäre, und verschiedene Bienenwachsmischungen als materielle Repräsentation der Biosphäre. In der Domgasse schafft Weber in seiner vierten Einzelausstellung ein dichtes Bezugsystem der sich in den Materialien eingeschriebenen Bedeutungshorizonte. Er zeigt zwei aktuelle Werkgruppen, wobei erstere die direkte Konfrontation der drei Sphären versinnbildlicht und die zweite ein abtastendes Kalkulieren von komplexen Transformationen darstellt.
Eine auf dem Boden stehende Betonplatte reißt durch ihr Eigengewicht entlang der Auflagekante eines Kalksteins – jenes fossile Material, dessen gespeichertes CO2 bei der Produktion von Zement in großen Mengen freigesetzt wird. Dunkelbraune Platten an der Wand, die aus Holzteer, Bienenwachs, Baumharz und Paraffin gegossen sind, zeigen Abdrücke eines zerklüfteten Bruchstücks, das von einem deponierten Betonfragment stammt. Dieses drückt sich final in einen geometrischen Quader, deformiert ihn und bringt ihn beinahe zum Platzen. Die Formen der Plastiken entstehen durch die Gewichtskraft und Verformbarkeit der unterschiedlichen Materialien. Das Aufeinandertreffen der Bruchstücke mit technisch hergestellten Formelementen friert jeweils einen Moment der direkten Konfrontation zweier Sphären ein – Frakturen, Risse und Quetschungen sprechen mit Achille Mbembe von der Brutalität anthropogener Vorgänge. [2]
Der Transfer einer Form steht auch in der zweiten Werkgruppe im Vordergrund, wenngleich in einem vielschichtigeren Vorgang. Die abgeformten Ausschnitte der Oberflächen von Betoninfrastrukturen – eines Wiener Ölbunkers und einer Autobahnbrücke – nutzt Christoph Weber, um Repräsentationen in drei unterschiedlichen Medien anzufertigen. So wird die jeweils abgenommene Oberfläche zum fotografischen Kontaktabzug des transluziden Abgussmaterials, und zu einem Reliefstempel aus Gusseisen, der wiederum eine Negativform in Bienenwachs drückt. In komplexen Transformationsprozessen werden Oberflächenausschnitte bestehender Bebauungen zu Sinnbildern der Einprägungen der Technosphäre in die Biosphäre.
Konfrontationen, Brüche und Widerstände sind die bestimmenden Aspekte, die der Künstler in seinen ausgestellten Arbeiten einsetzt. Es gelingt ihm, das Spiel der physikalischen Kräfte fein auszutarieren, um unsere Vorstellungskraft über das eigentlich nicht Abbildbare herauszufordern.
[1] Eva Horn, Die Zukunft als Katastrophe, Frankfurt am Main, Fischer 2014.
[2] Achille Mbembe, Brutalisme, Paris, Éditions La Découverte 2020.
Links: Transfer Mark, 2023 Bienenwachs; Unikat 56,5 x 66 x 7,5 cm
Mitte: Transfer Die, 2023 Gusseisen, Ringschrauben, Anschlagketten; Unikat Gusseisen 57 x 46,5 x 7 cm Höhe 310 cm
Rechts: Contact Print, 2023 Kontaktabzug (fotografische Belichtung von Abformmaterial), Barytpapier; Ed. 4+1AP 44,5 x 55,5 cm, gerahmt 48 x 59,5 cm, 2023