Ein wenig so, als wollte man einen Traum erzählen. Einen Traum, in dem nicht ein Wort gesprochen wird – nicht ein Satz. Und die gesamte Szenerie und alle Requisiten einen einzigartigen, einmaligen Traumcharakter haben und ausgezeichnet ohne jegliche Wörter auskommen. Entsprechende Wörter müssten erst ausgedacht und angepasst werden. Vielleicht sollte man also bis dahin besser schweigen …
Schweigen ist auch eine Pause, ein Trennstrich, eine Leerstelle, eine Geste, um den dichten, ununterbrochenen Strom der Ereignisse zu ordnen. In einem bestimmten Kontext, angesichts der bestehenden Situation, kann Schweigen gewichtiger, bedeutungsträchtiger und tiefsinniger sein als hohe Rhetorik.
Aber nicht nur ein Traum, auch die Erfahrung der Alltäglichkeit, selbst die gewöhnlichste, scheinbar x-beliebige, kann ein Gefühl der Unbefriedigtheit hinterlassen, wenn sie mit Hilfe von Wörtern vermittelt wird. Durch den Kanon der trivialen Umstände scheint die Mystik flüchtiger Augenblicke durch. Häufig jedoch – so scheint es zumindest – obwohl alles wie „immer“ ist – aber dennoch – sieht es irgendwann völlig anders aus. Und eben dieses „anders“ kann nicht, lässt sich einfach nicht mit dem Raster der bekannten und verfügbaren Formen erfassen, denn diese passen nicht in den Käfig der gut platzierten, banalen Bedeutungen.
Beim Versuch, sie mit dem zur Verfügung stehenden Repertoire an Wörtern und Ausdrücken zu bestimmen, zerstören wir sie, denn wir sorgen dafür, dass Unterschiede verschwinden. Denn wir bringen alles auf einen Nenner. Dieser fördert aus seinem Kern das Gemeinsame und Offensichtliche zutage, hebt es hervor. Wie Senkrechte und Waagerechte, Schwarz und Weiß, Licht und Dunkel, Stille und Klang. Wie ein eindeutigeres Ja/Nein, eine eigentümliche Befreiung vom Experimentieren, Denken, Erkennen und Interpretieren. Er nivelliert Nuancen, das Helldunkel, alles, was einen Unterschied ausmacht, individualisiert, dem vermeintlich Identischen ein eigenes Gesicht gibt.
Der Ausweg aus diesen klaren und festen, dauerhaft Halt vorgaukelnden Kategorien ist die Über-windung ihrer Tyrannei. Schließlich gibt es einen Pfad „zwischen“ den Extremen, die sich in der Wirklichkeit begegnen müssen – wie die Nacht und der Tag. Der Bereich der Begegnung ist vage und flimmernd, nicht greifbar, ähnelt dem Versuch, einen Traum, eine Vision zu erzählen. Statt der klaren Kategorien der Zeit und des Raumes, der Linien und der Abschnitte bietet er ein Durcheinander undeutlicher Umrisse, das gesamte Repertoire an Halb-Gesten, Flüstern, Rascheln, Verfinsterungen und aus der Dunkelheit auftauchenden Formen
Die scharfen Kanten, Ränder, Lichtstreifen und die Form des Schattens, die Kreise, Halbkreise und Einbuchtungen – sind wie Anknüpfungspunkte, Scheingründe, von denen aus man die Wanderung ins Unbekannte, ins Innere der eigenen Erfahrung beginnen sollte. Dies ist der Weg, in dessen Verlauf ein eifriges Verwischen der Konturen und Farben in der Erinnerung stattfindet. Um sich einen Weg zu bahnen, den eigenen Pfad zu finden, bedarf es Wegweiser, Zeichen und Hinweise. Man muss sie finden, erkennen und zu lesen verstehen.
Der Weg „dazwischen“ muss kein klarer, von Anfang bis Ende rational erkennbarer Pfad sein – es kann auch eine Legende oder ein Mythos sein – ein Wort, das Geheimnis bleiben soll. Wie in einem kindlichen Abzählreim; wie verdrehte, falsch gehörte Namen. Wie die in einem Wort verborgene Botschaft, die einen zuvor unbekannten Raum heraufbeschwört – wie der zuvor nicht existente, im Klang eines unbekannten Wortes verzauberte Raum, der ins Dasein gerufen wird: hatakma.