Die Ausstellung zeigt neue Gemälde von Helmut Federle zusammen mit einer Auswahl von vorwiegend frühen, noch nie gezeigten Zeichnungen. Im Zentrum des Werkes von Helmut Federle steht die Frage nach dem Verhältnis von abstrakter Form und schöpferischer Selbstbehauptung des Künstlers. – Helmut Federle vertrat 1997 die Schweiz auf der Biennale Venedig, 2008 erhielt er den Prix Aurélie Nemours. Kommende Ausstellungsteilnahme: „Rudolf Steiner und die Kunst der Gegenwart“, Kunstmuseum Wolfsburg (13.5. – 3.10.2010) und Kunstmuseum Stuttgart (5.2. – 22.5.2011). Zur Ausstellung in Wien erscheint ein Katalog mit einem Essay von Roman Kurzmeyer.
Einige der neuen Gemälde nehmen ein Motiv auf, das im Werk seit den späten siebziger Jahren immer wieder auftauchte, aber nie Ausdruck in einem eigenen Zyklus fand. Es handelt sich um luzide, sanfte Nachtbilder, die an das Licht der romantischen Malerei erinnern. Dieses Licht, das durch die dunkle, dünnflüssig aufgetragene, auf einigen Arbeiten sogar mehrmals abgewaschene Farbe dringt, ist allen Werken dieser Gruppe gemeinsam. Die Gemälde üben einen merkwürdigen Sog auf den Betrachter aus – merkwürdig deshalb, weil zugleich offen bleibt, ob das Licht einem entgegenströmt oder umgekehrt, das Bild dem Auge einen Durchgang ins Helle eröffnet. Sind wir vor dem Gemälde oder im Gemälde?
Mit dem Motiv des nicht lokalisierbaren, permanenten Lichts ist die Thematik der Spiritualität verbunden, welche in der abstrakten Malerei seit ihren Anfängen zentral war. Einige dieser in Erdfarben oder in grauen und schwarzen Farbtönen gemalten Tunnelbilder lassen den Blick ins Bodenlose stürzen. Kompositorisch nehmen die neuen Bilder eine besondere Stellung im Werk Federles ein, weil der Künstler mit ihnen die Orientierung an der aus Horizontalen und Vertikalen gebildeten Bildstruktur hinter sich lässt. Die Dynamisierung des Bildfeldes durch diagonale Bewegungen setzt in der Malerei erst 2004 mit den Arbeiten des Zyklus Edelweiss (Ausführung) ein, findet sich im zeichnerischen Werk aber schon früh. Spiralformen und Diagonalen treten in der Zeichnung immer wieder auf, sind in der Malerei aber selten.
Helmut Federle betrachtete die formale Innovation nie als eine zentrale Aufgabe der Kunst. Seinem Verständnis nach sind die Formen der Abstraktion nicht an die Kunst des 20. Jahrhunderts gebunden, sondern waren, wie die Gewebe, Keramiken und Kunstwerke seiner Sammlung es auch belegen, schon vor der Moderne und außerhalb der westlichen Kunst unterwegs. Der geschichtliche Horizont, vor dem er die künstlerische Form wahrnimmt, ist viel weiter als der historische Resonanzraum, den der Kunsthistoriker Timothy J. Clark mit seiner berühmten Formel von der „Moderne als unserer Antike“ angeschlagen hat. In den jüngsten Arbeiten Federles klingen Kubismus, Futurismus, Anthroposophie und besonders seine seit vielen Jahren intensive Auseinandersetzung mit der Kultur Japans deutlich an, und doch wäre es für das Verständnis seiner Arbeiten falsch, würde man sie im historischen Sinne mit einer dieser Bewegungen der frühen Moderne oder der Kultur Japans in Verbindung bringen. Federle sucht nicht nach neuen oder sogar eigenen Formen wie andere Künstler, doch er ist auch kein Archäologe der Moderne. Federle interessiert nur das einzelne Bild, er betont die Autonomie der abstrakten Form und ihren Sinn. An diesem Punkt zeigt sich die zeitliche und mentale Distanz zu den Künstlern der Hochmoderne.