Die Malerei von Bernard Frize folgt präzisen Vorgaben, die für die Betrachter*innen unmittelbar nachvollziehbar und ohne Geheimnis sind, wenn man so will. Es ist eine Malerei, die vordergründig nichts abbilden will, sondern sich als Medium versteht und in jedem Werk neu reflektiert. Wir müssen sie uns als eine Abfolge rationaler Entscheidung vorstellen: Bernard Frize arbeitet in Serien, oft an mehreren gleichzeitig, um die malerische Varianz seiner getroffenen Entscheidungen als Bildgebungsverfahren auszuloten.
Seine Malerei unterliegt einem Repertoire aus Regeln oder Handlungsanweisungen und lässt sich anhand dieser klar beschreiben. Sie ist abstrakt, konzeptuell, und doch ist das jeweilige Resultat überaus komplex. Auch wenn sie sich als automatisch ausgeführter Prozess präsentiert, als „peinture automatique“, basiert sie auf einem performativen Akt. Die Bewegung des Pinsels, das Ausfüllen der Leinwand mit Farbe durchkreuzen das vermeintlich rationale Konzept und verleihen jedem Werk ein prägnantes Eigenleben. Das, was Josef Albers als unabdingbare Differenz zwischen factual fact und actual fact in Bezug auf die Farbe konstatiert hat – die objektiv zu beschreiben das eine, die sehend zu erleben das andere ist –, bezieht sich bei Bernard Frize auf das Gestalten des Bildes an sich: auf die Malerei und den Pinselstrich, die Farbe und ihre Applikation.
Seit den 1970er-Jahren folgt diese künstlerische Praxis einem strengen Regelwerk, das einerseits von einer bewussten Lakonik geprägt ist und jeden intellektuell-konzeptuellen Überbau negiert, andererseits sehr wohl darum weiß, was der konzeptuelle Überbau mit dem Genre Malerei und seiner tiefen Verankerung in der europäischen Kunstgeschichte anstellt. Die Diskrepanz zwischen dem Sichtbaren und Beschreibbaren, der sinnlichen Wahrnehmung und der physikalischen Bildsubstanz, ist in Bernard Frizes Malerei insofern signifikant, als das vermeintlich einfache Ausführen selbstauferlegter Anweisungen zu einem Resultat führt, das jenseits der apostrophierten Regelhaftigkeit eine Vielzahl subjektiver Erlebbarkeiten produziert.
Das Publikum müsse unmittelbar sehen können, wie ein Bild konzipiert ist, so als habe es dieses selbst gemalt, betont der Künstler. Tatsächlich ist die im Fall der hier ausgestellten Arbeiten oft rasterförmige oder wie gewebte Abfolge feiner, farblich abgestufter Streifen unmittelbar evident. Die Komposition, so wir von einer sprechen wollen, ist nachvollziehbar, doch das Werk als solches geht weit über die primäre Rationalität hinaus. Wie eine bewusste Gegenbewegung entfaltet die Farbigkeit eine konnotative Fülle, die den – einem Konzept folgenden – Farbauftrag durchkreuzt.
Farbe interessiere ihn nicht sonderlich, wird Bernard Frize gerne zitiert, weil es angesichts der faszinierenden Chromatik seiner Leinwände so wenig glaubhaft klingt. Er trägt Farbe auf beinah mechanische Weise auf, arbeitet aber manuell mit Pinsel. In die flüssige Acrylfarbe gemischtes Kunstharz nimmt dem Pinselstrich die emotionale Komponente und versiegelt die Bildoberfläche. Zentrale Themen des malerischen Diskurses – Pinselduktus und „Finish“ – werden auf diese Weise prominent zitiert, verlieren jedoch ihre exponierte Stellung als Indizien malerischer Autorschaft, um sich in ihrer Dekonstruktion selbst in eine Signatur zu verwandeln.
So sind es zwei unterschiedliche Systeme, die in diesem Werk auf komplementäre, wenn nicht paradoxe Weise aufeinandertreffen. „Damit der Zufall eine Chance hat, muss man Bedingungen schaffen, die ihn ermöglichen”, sagt Frize. Auf der einen Seite stehen die instrumentalen Fakten des Farbauftrags auf Leinwand und die Minimierung des subjektiven Eingriffs in die Bildwerdung, auf der anderen Seite die Eigengesetzlichkeiten der Malerei als solcher. Weniger aktiver Akt der Gestaltung als Arbeiten an den Bedingungen, zu denen er passiert, erweist sich Bernard Frizes Malerei, die von Beginn an einen singulären Status innerhalb der zeitgenössischen Abstraktion behaupten konnte, als konsequentes Erproben dessen, was ein Bild ausmacht, wofür es steht, was es ermöglicht – und worin auch heute noch seine Notwendigkeit besteht.
Dass die Bilder Titel tragen statt des modernistischen Labels „Untitled”, müssen wir als Teil von Bernard Frizes Strategie verstehen, sich möglichst jeder subjektiven Entscheidung zu entziehen. Denn auch wenn „Erid”, „Uji” oder „Marla” unbestimmte Assoziationen auslösen mögen, sind es doch reine Kunstwörter ohne jede Referenz. Sie stehen zu den Bildern, als deren Titel sie fungieren, allenfalls in einer produktiven Nicht-Beziehung – als Hinweis, dass jede Suche nach einem Verständnis des Werkes über seinen Titel konsequent ins Leere führt. In diesem Fall bleibt die Schönheit der Sprache als poetologisches System selbstgenügsam stumm.