Die Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder präsentiert in ihrem neuen Ausstellungsraum in der Domgasse 6 nun die Ausstellung „Oh Manitu“ von Herbert Brandl. Gezeigt wird eine Serie neuer Arbeiten, deren zentrales Bildsujet der Baum ist. Als Einzelstück zentral auf die Bildfläche gesetzt, weisen Brandls Bäume eine nahezu personenhafte, porträthafte Inszenierung auf. Die Bäume treten stilistisch variantenreich in Erscheinung: in starkem, expressivem Pinselduktus, vor pastosem schwarzen Hintergrund, transportieren sie eine diffus-unheilvolle Atmosphäre; im Gegenzug dazu generieren zarte Farbsetzungen im Wechselspiel mit dominierenden weißen Leerstellen eine Bildwirkung, die fernöstliche Gestaltungsformen zu referenzieren scheint. Für letztgenannte Arbeiten hat Brandl eine neue Technik eingesetzt: es handelt sich dabei nicht um ein klassisches malerisches Verfahren, sondern um die Fertigung von Abdrücken, die von einer mit Acrylfarbe bemalten Leinwand auf einer weiteren Leinwand hinterlassen wurden. Hier greift der Künstler das Prinzip der Monotypie auf, eine Technik, die seit 2009 eine Konstante in seinem Oeuvre darstellt.
Seit über 20 Jahren bildet die Befassung mit der Natur einen Schwerpunkt in Brandls Werk: mit seinen emblematischen Gebirgsbildern und –panoramen, die den Blick ins Monumentale und Erhabene öffnen, oder den „Zoom-ins“ und „Blow-Ups“ von Wiesen- und Rasenstücken wechselt er zwischen Nah- und Fernsichten auf die Natur. Es geht dabei nicht um die Illustration von Landschaft, sondern um eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Verhältnis des Menschen und der ihn umgebenden Natur. Könnte man vielen seiner Arbeiten die Darstellung eines ursprünglichen Naturbegriffs attestieren, das heißt einer Natur frei bzw. befreit von jeglichem Einfluss des Menschen, so verhält es sich bei den Arbeiten der aktuellen Ausstellung anders. Bei den dargestellten Bäumen handelt es sich um Bonsais (zu Deutsch „Pflanze in der Schale“). Die japanische, ursprünglich chinesische Gartenkunst steht für die Gestaltung von Bäumen, ihr deutlichstes Charakteristikum ist dabei die Wuchsbegrenzung der Pflanzen. Sie folgt dem Anspruch eines harmonischen Miteinander der Naturelemente, das auf dem Einklang von belebter Natur, der Naturkräfte und dem Menschen aufbaut. Ein Bonsai stellt diese „en miniature“ nach: die belebte Natur wird durch den Baum, die Naturkräfte durch Steine oder Kies angedeutet, der Mensch wird in Form seines Handwerks, einer Schale, dargestellt. Brandls Bäume sind also keine freiwachsenden Naturgewalten, es handelt sich vielmehr um durch den Menschen reglementierte Natur, und doch stehen sie sinnbildlich für ein Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur.
Brandls künstlerische Arbeit ist eng verwoben mit seinem Beschäftigungsfeld als materieller und visueller Sammler, neben der intensiven Auseinandersetzung mit japanischen Schwertern, Bergkristallen oder afrikanischen Raubkatzen, widmet er sich seit Jahrzehnten, immer wieder, in letzter Zeit verstärkt, der Anschaffung und Pflege von Bonsaibäumen. Mit der malerischen Umsetzung der Bonsais begegnen nun stillere, intimere Sujets der großen Geste erhabener Naturszenerien, sie erzählen von einem unmittelbaren, sehr persönlichen Zugang des Künstlers zur Natur.
Oh Manitu. Das Brandl’sche Universum ist facetten- und referenzreich, werden inhaltliche und formale Impulse aus seinen Sammlungen oftmals zum Ausgangspunkt seiner Bildfindungen, so dient ihm sein immaterieller Fundus von Zitaten aus Comic, Film, Musik und Alltagsmedien als Quelle für die Titel seiner Ausstellungen. Diese erzeugen, ohne eindeutige Zuordenbarkeit und Lesbarkeit, einen Bruch - als humorvolle Setzungen mit popkulturellen Anleihen wirken sie einer allzu nüchternen oder romantisierenden Auslegung seiner Kunst entgegen.