Isa Melsheimer konnotiert ihre Installationen, skulpturalen und textilen Arbeiten und Gouachen mit architektonischen Bezügen, mit Fragen zur Behausung und Gestaltung der unmittelbaren Umgebung und greift auch städtebauliche Aspekte auf. Sie abstrahiert dabei einzelne formale Komponenten, um deren kulturelle Codes zu befragen. In letzter Zeit schuf sie Skulpturen, die Beton und Vegetation in Beziehung setzen. In ihrer dritten Einzelausstellung in der Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder wagt sie nun einen expliziten Exkurs in die Pflanzenwelt, im speziellen in botanische Gärten. Sie untersucht dabei deren Idee und Geschichte und die mit ihnen verbundenen prekären Implikationen von Eroberungszügen und Kolonialismus.
Der Pflanzenjäger, etwa seit dem 17. Jhd. tätig und im 19. Jhd. zum respektierten Berufsstand erhoben, war Naturkundler und Forschungsreisender, der die Weltumsegler im Dienst der Kolonialmächte begleitete. Was er an Bäumen, Zier- und Nutzpflanzen und Gewürzen ausgrub und was je die Mutterländer erreichte, gelangte in die botanischen Gärten der europäischen Metropolen, so die Beute unter den neuen klimatischen Bedingungen erfolgreich kultiviert werden konnte. Botanische Gärten wurden dieserart zum Spiegel der jeweiligen Nation und ihres kolonialen Machtbereichs.
Der Pflanzentransport aus Amerika, Asien, Australien und Afrika auf dem Seeweg war aufwendig und verlustreich, von den gesammelten Pflanzen kamen nur wenige lebend an. Unwetter, Salzwasser und die mangelnde Pflege durch die Matrosen ließen oft nur eine Pflanze von tausend überleben. Pflanzen waren kostbar und wurden als „grünes Gold“ gehandelt. Die Tulpenmanie löste eine der ersten gut dokumentierten Spekulationsblasen der Wirtschaftsgeschichte aus. Die Erfindung des englischen Arztes Nathaniel Ward brachte ab 1835 eine entscheidende Wende für den Transport des wertvollen Guts. In luftdicht verschlossenen, mit feuchter Erde gefüllten Glasgefäßen konnten Samen und Keimlinge den wochenlangen Transfer auf dem Seeweg überleben.
Im ersten Raum der Ausstellung nimmt Isa Melsheimer mit ihren Skulpturen die Idee der „Wardschen Kästen“ auf, als Pflanzenjägerin lässt sie in Glaskuben verschiedene Pflanzen aus dem botanischen Garten von Lissabon, eine Welwitschia mirabilis aus der „Namibia“-Abteilung des botanischen Gartens in Berlin-Dahlem und eine Maria-Theresia-Palme aus Schönbrunn gedeihen. Als Raumteiler fungieren bestickte Tücher mit Motiven wie etwa einem Grabrelief der altägyptischen Königin Hatschepsut, das ihre Rückkehr aus dem eroberten Land Punt darstellt - zu Schiff samt Pflanzentransport. Oder etwa die Meuterei auf der Bounty, die möglicherweise auch deshalb ausbrach, weil die Matrosen zugunsten von Brotfruchtbäumen auf Trinkwasser verzichten mussten. In ihren Gouachen wiederum verbindet Isa Melsheimer Pflanzenstudien mit Architekturelementen.
Der anschließende Raum zeigt die Folge der „Wardschen Wende“, die das „grüne Gold“ im Zuge globalisierter Kapitalisierung zu traurigem Dasein in Spar-, Aldi-, IKEA- und anderen Märkten verdammte. Überzüchtete Palmen, Orchideen und andere einst teure exotische Gewächse verdorren im Massenangebot zum Sonderpreis. Dazwischen sind Wellensittiche aufgestellt, die kleinen, billigen Abkömmlinge der wertvollen Papageien aus herrschaftlichen Volieren, nun massenhaft im Angebot für den kleinbürgerlichen Haushalt. Als teure Porzellanfiguren erheben sie Einspruch und erinnern an kostbares Vitrinen-Inventar.
Die Fenster der Galerie sind mit milchiger Flüssigkeit bestrichen, es herrscht Treibhausatmosphäre. Isa Melsheimers Ausstellung ist ein in sich geschlossenes Biotop, kein Blick dringt nach draußen.