Die Ausstellung stay moving in der Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder vereint die Positionen von sieben Künstler:innen aus dem Programm der Galerie. Dabei werden jeweils aktuelle und ältere Arbeiten einander gegenübergestellt, um verschiedene Aspekte der Werkentwicklung zu beleuchten.
Diese exemplarischen Arbeiten zeigen Kontinuität, das Experimentieren mit unterschiedlichen Materialien, die nuancierte Weiterentwicklung, sowie Zitate auf das eigene Frühwerk. Die Ausstellung lädt Besucher:innen dazu ein, Parallelen innerhalb der künstlerischen Praxen zu entdecken und gleichzeitig verschiedene Ansätze miteinander zu vergleichen.
Herbert Brandls Werk ist geprägt von einer tiefen Verbundenheit zur Natur und Landschaft. Die ArbeitOhne Titel (2018) ist ein aus Aluminium gegossenes Abbild einer abgestorbenen Wurzel, die der Künstler einem Moor entnommen hat. Dieser Abguss scheint einen verzweifelten Versuch der Konservierung darzustellen, und macht damit auf Umweltzerstörungen aufmerksam – eine Thematik, mit der sich Brandl seit vielen Jahren in seinem Werk auseinandersetzt.
Dem gegenüber steht eine Leinwand aus dem Jahr 2009, auf der breite, schwungvolle Pinselstriche eine Unterwasserlandschaft durch das vorherrschende, großzügig aufgetragene Grün assoziieren lassen. Sorgfältig gesetzte, helle Partien erhöhen die Spannung des Bildes und zeugen von dem sensiblen Blick des Künstlers.
Die Auswahl der Arbeiten von Isa Melsheimer betont ihre Fähigkeiten zur Vielfalt der Formen und Materialien. So akzentuiert ein bestickter, schräg in den Raum gesetzter Vorhang mit dem TitelVorhang (Nördlicher Raum) von 2008 bewusst die Galeriearchitektur und das Licht im Ausstellungsraum.
Der Arbeit gegenüber steht eine kürzlich entstandene Keramik, die wichtige Aspekte von Melsheimers Œuvre darstellen: die Auseinandersetzung mit architektonischen und städtebaulichen Utopien, sowie ihr spezifischer Blick auf die Natur, der diebaulichen Strukturen erahnen lässt. Eine Gouache aus dem Jahr 2009 komplettiert die Auswahl. Ein Tiercharakter zitiert Eitelkeiten der Modewelt und birgt einen surrealen Moment, den man in anderen Werken von Melsheimer wiederfindet.
In der Ausstellung werden Sonia Leimers Videos aus den Jahren 2010, 2012 und 2020 in einen Dialog mit einer aktuellen Wandobjekt gesetzt. Dabei sind Aspekte der Biopolitik, des menschlichen Erkundens unbekannter Territorien, ihrer Besetzung und des zugrunde liegenden Wunsches nach kontinuierlichem Fortschritt zentrale Themen in Leimers Werk.
Während die ausgestellten Videoarbeiten von verschiedenen Landschaften - von Georgien über die österreichischen Gletscher bis hin zur Antarktis - erzählen und auf unterschiedliche Weise das Erforschen dieser Territorien darstellen, manifestiert sich Leimers künstlerisches Interesse in der SkulpturArctic (2023). Diese zeigt ein Reststück eines Dämmungsmaterials aus Keramik, Glasfaser und Aluminium, das für den neuesten SatellitenArctic der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) hergestellt wurde auf einem tiefschwarzen Hintergrund. Dadurch vermittelt die ArbeitArctic ein Gefühl der Schwerelosigkeit, ähnlich den Überresten von Weltraumschrott, die in der Umlaufbahn treiben und das Sonnenlicht reflektieren, während sie um unseren Planeten kreisen.
Imi Knoebel ist mit drei Arbeiten in der Ausstellung vertreten, die auf den außergewöhnlichen Umgang von Farbe und Formenvielfalt in seinem Werk hinweisen.Betoni (1990) weicht kaum vom Quadrat ab und erzeugt durch das leichte Ungleichgewicht seiner Form eine sanfte Irritation.Sandwich (2004–09) erinnert durch seine Zusammensetzung aus Sperrholz an skulpturale Werke in Knoebels Frühwerk. Die ArbeitElement O.1 (2018) zitiert in ihren monochromen Farben auf geformtem Maluntergrund Klassiker des Künstlers wie24 Colors (for Blinky) von 1977. Die stetige Weiterentwicklung und Variation bei gleichzeitiger Rückbesinnung auf das eigene Werk sind bei Knoebel zentral. Die Arbeiten stehen untereinander in Beziehung und prägen ein schlüssiges Gesamtwerk.
Michał Budny, der seit seinen frühen Arbeiten die Fragilität des Materials und der Skulptur betont, ist mit zwei ganz unterschiedlichen Werken von 2008 und 2012 vertreten. Einerseits sehen wir einen schmalen Holzrahmen, überspannt mit halbtransparenter Folie. Andererseits findet sich daneben auf einem Sockel eine Arbeit aus dunkel bemaltem Karton. Die scheinbare Härte der schwarzen Formen wird mit einem ledernen Faden durchbrochen. Das Objekt scheint die Ordnung verlassen zu wollen und über den Faden in den Raum, ins Off zu kommunizieren. Die aus Metall geformte Arbeit aus dem Jahr 2023 mutet wie eine Zeichnung im Raum an. Drei in Zinnoberrot gehaltene, einfache Halbkreise, die im Spitz zum Boden verlaufen, sind raumgreifend und durchlässig zugleich. Kühle wie Wärme suggerierend, erleben wir Budnys Werk emotional, poetisch und prinzipiell selbstbewusst in der Form.
Für Sheila Hicks spricht jedes Material seine eigene Sprache, die sich aus der jeweiligen Eigenschaft, wie Farbe, Dichte und haptisch-taktiler Qualität, ergibt. Indem die Künstlerin innerhalb ein und desselben Werkes die verschiedensten – auch unerwarteten, überraschenden – Farbtöne, Texturen und Stoffe zueinander fügt, eröffnet sie einen Diskurs, in dem jede Stimme ihren Platz findet. Sheila Hicks ist in der Ausstellung mit einer größeren Arbeit auf einem Sockel mit dem TitelHimalia und zwei gerahmten Werken aus der Serie der Minimes (1966 und 2015) vertreten – gewebte Objekte, eine Form von Tagebuch. Früher, auf ihren zahllosen Reisen durch viele Kontinente und Staaten, lernte sie die autochthonen textilen und farbspezifischen Bräuche kennen und verband sie mit ihren eigenen Erfahrungen. Auf einem kleinen Webrahmen, den sie immer mitnehmen konnte, entstanden die Minimes in einem direkten, persönlichen Dialog. Das gemeinsame Arbeiten und der interkulturelle Austausch standen für die Künstlerin dabei im Vordergrund. Sheila Hicks zählt zu jenen Pionierinnen, deren revolutionärer Verdienst in der Etablierung textiler Materialien im zeitgenössischen Kunstdiskurs zu finden ist.
Helmut FederlesTwo Heart Flames, N.Y.C., Feb. 80 (1980) entstand während eines für den Künstler prägenden Lebensabschnitts, den er in New York verbrachte. Auf einem einfachen, auf der Straße gefundenen Karton, stehen sich zwei längliche, geometrische Formen in Schwarz gemalt gegenüber, wobei aus dem unruhig, weiß grundierten Karton zarte, gelbe Töne hervortreten. Sie erzählen von mehreren Phasen des Malprozesses. Der TitelTwo Heart Flames verweist direkt auf das gemalte Bild und trägt zur Lesbarkeit der Arbeit bei. In der Ausstellung wird diesem die aktuelle ArbeitInformal Multitudes (Das andere Bild) (Dark Angel) (Gestern) (2020) gegenübergestellt. Abstrakter in Form und Titelgebung, sind Spuren eines Prozesses sichtbar - dick und wässrig aufgetragene Farbe, geschüttet, mit Tuch verwischt und wieder abgewaschen. Ausdruck einer inneren Sicherheit und emotionalen Aufgeladenheit des Moments.
Adrian Schiess' Werk ist seit jeher geprägt von der Auseinandersetzung mit grundlegenden Fragen der Malerei und des Künstlerdaseins. In der Ausstellung ist er mit einer Fotografie aus dem Jahr 1980 vertreten. Sie ist Teil einer 12-teiligen Serie, die in seinem Werk eine Schlüsselposition einnimmt. Schiess macht sein Gesicht zum Träger der Arbeit, in dem er es bemalt und anschließend fotografisch dokumentiert. Er selbst wird dadurch im erweiterten Sinn zu einem Teil der Ausstellung.
Im straßenseitigen LOGIN ist eine großformatige Malerei auf Polyesterstoff von 2011 gegenüber der Werkgruppe der Fetzen (1992–1995) positioniert. Diese meist zerrissenen, in einer zufälligen Anordnung geschichteten Objekte, erhalten dabei Werkstatus. In jeder von Schiess' Arbeiten steht neben dem prozessualen Ansatz der Malerei auch die Vergänglichkeit von Natur und Mensch im Mittelpunkt. Bemerkenswert ist hierbei, dass Schiess, wie schon in den frühesten Arbeiten, mit höchster Radikalität nach Antworten auf fundamentale Fragen künstlerischer Praxis sucht.