Sonia Leimers Ausstellung Autoterritorium verwebt mehrere Skulpturen und multimediale Installationen zu einer vielschichtigen Erzählung über die politische ebenso wie persönliche Wahrnehmung, Definition und Inbesitznahme von Räumen. Kulturelle Narrative wie die Ideologie des Space Age konfrontiert sie in der Ausstellung mit individuellen Formen von Raumaneignung. Leimers Arbeiten sind oft Mittler und Träger soziokultureller Geschichte, sie regen aber zugleich dazu an, durch Möglichkeiten der Nutzung und Aktivierung eigene Geschichte zu denken und zu definieren. Die Ausstellung fokussiert den zeitlichen und performativen Charakter der skulpturalen Arbeiten von Sonia Leimer. Ein zentrales inszenatorisches Element der Ausstellung ist eine verbindende Raumstruktur. Ein Performanceboden bildet einen Bühnenraum, durch den die verschiedenen Arbeiten und die Besucher_innen zueinander in Beziehung gesetzt und als Performer_innen akzentuiert werden.
In der Skulpturenreihe und Performance Eroberung des Nutzlosen beschäftigt sich Leimer mit den Grundlagen der Raumwahrnehmung und der Subjekt-Objekt-Relation. Die Arbeit greift ein wahrnehmungs-psychologisches Experiment mit einem Schimpansen aus dem Jahr 1959 auf, das die Fähigkeit zu einem komplexen Raum- und Gestaltverständnis sichtbar machte. Die modularen Skulpturen sind den historischen Forschungsobjekten nachempfunden und werden in einer Choreografie mit mehreren Performer_innen zum Gegenstand von Untersuchung, Interaktion und Kooperation.
Die Arbeit Ohne Titel (Asphalt) ist eine aus Straßenfragmenten zusammengesetzte, begehbare Bodenskulptur. Die Asphaltstücke, die aus unterschiedlichen Straßen in Wien herausgeschnitten wurden, sind weniger gefundene als vielmehr gezielt dem öffentlichen Raum entrissene Objekte. Die Spuren, Markierungen und Abschürfungen in ihren Oberflächen bilden zufällig entstandene, jedoch bewusst ausgewählte Kompositionen, die von den Ereignissen und Aktivitäten erzählen, die ihnen als verdichtete Zeitebenen eingeschrieben sind.
Diesen Formen individueller Raumwahrnehmung und -aneignung stellt Leimer in ihren multimedialen Arbeiten Neues Land und Iwanowo politisch-ideologische Raumkonzepte gegenüber. Neues Land basiert auf einer Reise Leimers zum Atomeisbrecher Lenin in Murmansk und thematisiert den sowjetischen Pioniergeist der 1950er- bis 1980er-Jahre, der mit einem Machtanspruch auf noch nicht besetzte Territorien wie den Weltraum oder die Arktis einherging. Wie Neues Land ist auch Iwanowo eine Installation, die über zeithistorische Materialien aktuelle politische Situationen assoziiert und thematisiert. Die historischen Stoffmuster, die in den Sitzskulpturen der Arbeit Iwanowo verarbeitet sind, verweisen auf die politische Durchdringung des Alltags in der Sowjetunion und bilden eine Hintergrundebene für das Video Above the Crocodiles. Das Video verarbeitet neuere Aufnahmen zweier russischer Kosmonauten der Raumstation ISS, die aus ihrer fernen Distanz mit einer subjektiven Kamera die Erdoberfläche betrachten und dabei kommentieren, was sie sehen. Leimer interveniert auf der Dialogebene in die Filmaufnahmen, indem sie eine dritte Kosmonautin einschleust, die den distanziert-faszinierten Blick auf die Welt mit politischen Veränderungen der Gegenwart verknüpft.