Joëlle TuerlinckxWORLD(K) IN PROGRESS?

Museum Exhibition
Haus der Kunst
Munich
Germany
9 Jun15 Sept 2013
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Die Ausstellung von Joëlle Tuerlinckx ist eine Retrospektive in drei Teilen und an drei Orten. Sie trägt an jedem Ort einen anderen Titel: WOR(LD)K IN PROGRESS? hieß sie in Brüssel, WORLD(K) IN PROGRESS? heißt sie in München, und WOR(L)D(K) IN PROGRESS? wird sie in Bristol heißen. Die Titel drücken den für jede Station anders gesetzten Schwerpunkt aus: bezüglich Werk (WORK), Welthaltigkeit (WORLD) und Sprache (WORD). Der Fortschritt (PROGRESS), der mit einem Fragezeichen in Zweifel gestellt wird, ist die durchgehende Konstante. Die Idee zum Titel entstammt einer Beobachtung: Tuerlinckx las in einem Wirtschaftsmagazin eine Überschrift falsch, nämlich „work in progress“ statt „world in progress“ – und war überrascht über die Verbindung. Solche Entdeckungen und Verschiebungen sowie die daraus folgenden Ausführungen in Titeln sind bezeichnend für Tuerlinckxs Arbeit, die vielschichtig und manchmal verwoben erscheint, aber meist auf einfachen Prinzipien und Wahrnehmungsphänomenen beruht.
 
Tuerlinckxs Ausstellungen funktionieren wie ein Container, in dem der Besucher den Raum in Relation zu den Werken erlebt. Drei Aspekte sind wiederkehrend und in fast allen Arbeiten und Ausstellungen präsent: Raum, Zeit, und Handlung oder Aktion. Dabei geht Tuerlinckx folgendermaßen vor, wie sie selbst beschreibt:
 
„Ich durchquere Räume und ich erforsche Zeitabschnitte, die für jeden dieser Anläufe spezifisch sind, ich beobachte, wie diese Räume mich erreichen. [...] Im Grunde beobachte ich, wie der Raum den Menschen durchdringt, und auf welche Weise der Mensch diese Zeitblöcke enthält, die selbst in jenen Räumen enthalten sind oder von ihnen überströmen. Ich arbeite daran, die Phänomene des Zeitmetrums zu verstehen, eher als am Ausmessen oder Abschätzen dieser Räume.“
 
Es ist bei Tuerlinckx Programm, sich intensiv mit den Ausstellungsräumen der jeweiligen Institution auseinander zu setzen. „Wenn mir ein Ausstellungsraum angeboten wird ist es, als ob ich eine Art Paket bekomme, ein Päckchen Luft“, sagt die Künstlerin über ihren Ansatz. Sie arrangiert Skulpturen, Fundobjekte, Filme, Fotografien und Collagen; dabei zitiert sie das, was ein Museum üblicherweise zur Präsentation nutzt, und so finden Vitrinen oder erklärende Lehrtafeln den Weg in Tuerlinckxs Ausstellungen. Durch die Vertrautheit dieser musealen Sprache behaupten sich etwa simple Papierkugeln oder Geschirrtücher als beachtenswerte Objekte, die der Betrachtung des Besuchers dargeboten werden. Sie erlangen eine Wichtigkeit und Bedeutung, die ihnen im Alltag nicht zuerkannt wird. Ausgangspunkt ist die Wahrnehmung – und noch elementarer: die Grundbedingungen des Sehens. Dabei ist die Ausstellung selbst für Tuerlinckx ebenso ein Medium wie die Malerei oder Bildhauerei.
 
Im LEXICON – a compendium of terms for Exhibition Matters/ Materials – 20.09.2012 (Lexikon - ein Handbuch mit Begriffen für Ausstellungsangelegenheiten/Materialien – 20.09.2012) dehnt die Künstlerin Schlüsselbegriffe wie EXPOSITION (Ausstellung) und stellt das Erleben des Raumes in den Mittelpunkt. Sie schreibt:
 
„Eine Ausstellung ist vor allem eine Erfahrung des Raums, die unter Umständen durch Objekte im Raum gemacht wird, welche einem anbieten, zu agieren oder zu reagieren, als Mittel zum Nachdenken, zum Bedenken dessen, was Menschsein bedeutet. Als Gemeinschaftserlebnis will sie öffentlich und offen sein. [...] Unter dem Anschein des Bekannten vermischen sich das Reale und das Imaginäre, das Physische und das Mentale, das Perzeptorische und das Konzeptuelle unaufhörlich, überlagern sich, kreuzen sich und entwirren sich, um eine Art Kugel zu bilden, eine Anhäufung von Kugeln, ein Magma, eine Flüssigkeit, einen Block eines realen Raums: zwischen Wahrnehmung der Realität und Repräsentation der Realität, zwischen dem, das man sieht, und dem, das verschwindet, das man hört und das nicht oder nicht mehr da ist, sichtbar durch die Kategorien der Größe, Farbe, Natur, Kultur, die in ein und demselben ‚Moment des Raums‘ einander gegenübergestellt und versammelt werden. Genau das ist die Ausstellung: dieser Moment des Raums. [...]“
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  • Max Geuter
  • Courtesy: Haus der Kunst, München
  • © Haus der Kunst, München

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